Feuerwehr, Polizei, Sanität und sogar Luftrettung waren am Samstagmorgen vis-à-vis vom Restaurant Hombergerhaus vertreten. In einer gross angelegten Verbundsübung trainierten die Rettungskräfte während knapp zwei Stunden für den Ernstfall.
von Niklas Rapold
«Hilfe, ich spüre mein Bein nicht mehr!», schreit die Chauffeuse eines LKWs. Die Fahrerkabine, in der sie eingeklemmt sitzt, ist durch den frontalen Zusammenprall mit einem Linienbus nach vorne gekippt. Anstatt dass die anwesenden Sanitäter und Feuerwehrmänner sich jedoch um sie kümmern, sind sie mit einem schwarzen Personenwagen beschäftigt. Er liegt auf der Seite, da der elektrisch betriebene Bus auch mit ihm kollidiert ist. Nachdem die Rettungskräfte das Auto in dieser Position gesichert haben, brechen sie die Seitenfenster auf. Sodann wird zuerst die Frontscheibe und schliesslich das Dach des Unfallwagens weggeschnitten, damit sie die zwei Insassen retten können. Für einen der beiden kommt jedoch jede Hilfe zu spät. Danach beginnen die Rettungskräfte bereits mit der Evakuation des Busses und der Betreuung der Bus-Insassen. Währenddessen schreit die LKW-Fahrerin sich noch immer die Seele aus dem Leib: «Jetzt kommen Sie doch endlich mal zu mir!»
So echt die Szenerie auch scheint, die beschriebene Situation war Teil einer gross angelegten Einsatzübung am vergangenen Samstagmorgen: einer Verbundsübung der Rettungsorganisationen mit dem Schwerpunkt der Strassenrettung. Häufig seien diejenigen Verunfallten wesentlich schlimmer verletzt, welche gänzlich ruhig blieben, da sie gar nicht mehr imstande seien zu schreien, erklärt Patrick Caprez, Mediensprecher der Schaffhauser Polizei, die Priorisierung des Personenwagens.
Hilfe aus der Luft
Neben der Schaffhauser Polizei, die aufgrund des am gleichen Tag folgenden Fussballspiels nur mit einem kleinen Aufgebot dabei sein konnte, waren insbesondere die Feuerwehr und die Rettungsdienste im Kanton Schaffhausen gefordert. «Das Ziel dieser Übung ist, die interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie die Koordination der Rettungstruppen zu verbessern», sagt Caprez.
Insgesamt waren rund 105 Einsatzkräfte, inklusive Einsatzleitung, sowie 30 Figuranten, davon rund 15 verletzt, an der Übung beteiligt; sogar ein Helikopter der Alpine Air Ambulance wurde aufgeboten. Zwei der Figuranten waren Samuel Steinmetz und Nils Gaido, sie stellten unverletzte Fahrgäste des Linienbusses dar. Zu Beginn wären Rettungskräfte immer wieder in den Bus gestiegen und dann jedoch unverrichteter Dinge wieder ausgestiegen, kritisiert Steinmetz das Einsatzverhalten der Rettungskräfte. Nach Ankunft der Feuerwehr hätten sie trotz Klopfen und Rufen noch über eine halbe Stunde im Bus warten müssen, ergänzt Gaido. Übungsleiter Beat Bill, Vizekommandant der Feuerwehr, erklärt die lange Wartezeit. «Die ersten Einsatzkräfte vor Ort müssen sich einen Überblick verschaffen und dürfen nicht einfach mit der Erstversorgung beginnen.» Christine Thommen, Sozial- und Sicherheitsreferentin der Stadt Schaffhausen, war als Zuschauerin vor Ort. Sie zeigte sich beeindruckt von der Ruhe, mit der die Einsatztruppen ihre Arbeit verrichteten. Es habe sie fasziniert, wie gut die vielen verschiedenen Organisationen zusammen gearbeitet hätten, sagt sie, auch wie schnell und effizient die Arbeit vonstattenging.
Nachdem die Übung um circa 8 Uhr morgens begann, folgte um 9.20 Uhr der Einsatzleiterrapport. Dabei treffen sich die Einsatzleiter der verschiedenen Truppen bei der mobilen Kommandozentrale und versorgen sich gegenseitig mit dem aktuellen Stand der Dinge ihres Spezialbereichs – Feuerwehr, Sanität und Polizei. So soll für einen Informationsgleichstand und eine optimale Problemerfassung gesorgt werden. Sobald alle informiert sind, werden einige Hauptpunkte besprochen. Bereits zu diesem Zeitpunkt wird auf die Benachrichtigung der Medien sowie die zukünftige Ermittlung hingewiesen. «Wir sind für eine zusammenhängende Beweiskette auf die Spurensicherung angewiesen», erklärt Caprez.
Beat Bill zieht ein positives Fazit. «Die Chaosphase, die es bei jedem Einsatz zu Beginn gibt, dauerte etwas lang», ergänzt er – danach hätte man sich aber schnell und gut koordiniert. Nachdem zum Schluss auch die Fahrerin des LKWs befreit wurde, konnte die Übung nach etwa zwei Stunden abgeschlossen werden.
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