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Viel mehr als ein Warten, bis es brennt

Seit Anfang dieses Jahres hat die städtische Feuerwehr ein Berufspikett, das rund um die Uhr einsatzbereit ist. Die zwölf Vollzeit-Feuerwehrmänner sollen für schnellere und professionellere Ersteinsätze sorgen.

Wenn der Alarm im Feuerwehrzentrum losgeht, müssen die Feuerwehrmänner tagsüber innerhalb von 60 Sekunden, nachts innerhalb von 90 Sekunden abfahrbereit sein, sagt Peter Müller, Kommandant der städtischen Feuerwehr. BILD ROBERTA FELE

Elena Stojkova

SCHAFFHAUSEN. Zwischen 300- und 350-mal jährlich wird die städtische Feuerwehr in Schaffhausen alarmiert. Seltener ist es geworden, dass Brände gelöscht werden müssen. Starke Rauchentwicklung, bei der die Vorgehensweise komplizierter ist, kommt häufiger vor als offene Feuer. Immer öfter fordern Rettungskräfte die Feuerwehr mit ihren Spezialgeräten für eine schonende, patientengerechte Rettung an. Die Aufgaben der Feuerwehrleute haben sich verändert, sind komplexer geworden, die Anforderungen an ihr Fachwissen sind gestiegen.

260 Angehörige der Feuerwehr gibt es in der Stadt Schaffhausen. Die über 300 Alarme jährlich beanspruchten das Milizsystem stark. Deswegen hat die Stadt Schaffhausen seit ­Anfang dieses Jahres neu ein Feuerwehr-­Berufspikett, das rund um die Uhr einsatzbereit ist.

Während 124 Jahren hatte das Löschpikett der Schaffhauser Polizei Ersteinsätze bei kleineren Brandereignissen und Brandmelde­anlagen übernommen. Die neu angestellten zwölf Vollzeit-Feuerwehrmänner entlasten nun die Polizei und lösen das Löschpikett ab, wie Romeo Bettini, Bereichsleiter Sicherheit und öffentlicher Raum, gestern bei einem Rundgang durchs umgebaute Feuerwehrzentrum sagte. Das Ziel des Berufspiketts: mehr ­Sicherheit, schnellere und professionellere Ersteinsätze. Bei Liftrettungen, Wassernot, Sturmschäden oder Tunneleinsätzen kommt neu das Berufspikett zum Einsatz. Bei grösseren Schaden- oder Parallelereignissen sei das Berufspikett aber nach wie vor auf die Milizfeuerwehr angewiesen.«Anbauen war nicht nötig»

Im Dezember 2018 hatte der Stadtrat dem Grossen Stadtrat die Vorlage zur Einführung eines Berufspiketts bei der städtischen Feuerwehr unterbreitet. Wenige Monate später, im April 2019, wurde die Vorlage im Parlament einstimmig angenommen. Letztes Jahr dann folgte die Personalrekrutierung, und das Feuerwehrzentrum wurde entsprechend umgebaut. «Anbauen und vergrössern war nicht nötig», sagt Müller. Gross genug war das 83 Meter lange Gebäude bereits. Im Wesentlichen baute man zusätzliche Wände und setzte Türrahmen ein, um mehr Räume zu erlangen. Zusammen mit der Einrichtung der Räumlichkeiten kostete der Umbau etwa 160 000 Franken, wie Müller sagt.

Was machen diese Männer, die allzeit einsatzbereit sein müssen, den ganzen Tag? «Diese Frage brennt vielen auf der Zunge», sagt Müller. Ein «Warten, bis es brennt» ist es jedenfalls nicht. Das grosse Gebäude und die 22 Fahrzeuge der Feuerwehr wollen unterhalten werden. Das städtische Feuerwehrzentrum dient dem Kanton ausserdem als Kompetenzzentrum, was den Atemschutz anbelangt: «Wir reparieren und prüfen im Jahr etwa 500 Atemschutzgeräte und 1200 -masken.» Ausserdem waschen und flicken die Feuerwehrleute Brandschutzbekleidungen für viele Feuerwehren des Kantons. «Einfach in die Waschmaschine werfen geht nicht – spezielle Kleidung braucht spezielle Pflege.» Hinzu kommt der Service für Feuerlöscher in den städtischen Gebäuden. «Den Feuerwehrleuten wird es so schnell nicht langweilig», sagt Müller. All diese Arbeiten müssen schliesslich neben den Einsätzen gemacht werden.24-Stunden-Schichten

Die zwölf Berufspikettmänner arbeiten in 24-Stunden-Schichten. Drei bis fünf von ­ihnen arbeiten pro Schicht. Geht der Alarm in der Nacht los, wird es im Gebäude automatisch hell. «Ein Lichtschalter muss nicht ­gesucht werden», sagt Müller. Jeder der zwölf Männer hat ein eigenes Bett, das heruntergeklappt werden kann in einem der drei Schlafräume im ersten Stock. Innerhalb von 90 bis 120 Sekunden müssen sie das Feuerwehrauto nachts herausgefahren haben. Tagsüber muss es in 60 Sekunden gehen. Die Rutschstange, die vom ersten Stock zu den Fahrzeugen im Erdgeschoss führt, fehlt nicht. «Damit geht es viel schneller als mit den Treppen», so Müller.

Neben den Schlafräumen befindet sich ein Aufenthaltsraum mit Küche und ein kleines Wohnzimmer. Steril sind die Räume eingerichtet. «Es muss kein Luxus sein, es muss funktionieren», sagt Müller mehrfach beim Rundgang durchs umgebaute Gebäude. Aber: «Es ist schade, dass keine Frau hier arbeitet, vielleicht wäre es dann ein bisschen wohnlicher.» Über 70 Bewerber gab es für die ausgeschriebenen Stellen, eine Frau war auch darunter. In die Auswahl schaffte sie es aber nicht.

Die zwölf Männer haben verschiedene ­Berufshintergründe. Der eine ist Automechaniker, der andere Elektriker. Dies könne man sich zunutze machen, sagt Müller. Beim ­Bewerbungsverfahren habe man die Leute «auf Herz und Niere geprüft». Auch ein Sporttest gehörte dazu. «Auf dem Tagesprogramm steht eine Stunde Fitness.» Ein Fitnessraum steht im Keller des Gebäudes zur Verfügung. «Sie können auch joggen gehen, aber es gibt eine Bedingung», sagt Müller. «Die Männer müssen ­zusammenbleiben, und das Löschfahrzeug muss überall hin mit.»

shn 16.01.2021